Warum „Dinner for One“ seit 70 Jahren unser Silvester prägt

Admin User
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Eine Gruppe von Menschen an Tischen mit Essen, Fernsehern, Lichtern, hängenden Papieren und Vorhängen in einem scheinbar festlichen Setting.

Warum „Dinner for One“ seit 70 Jahren unser Silvester prägt

Jedes Jahr an Silvester versammeln sich Millionen in Deutschland und Österreich, um Dinner for One zu schauen – eine kurze britische Komödie aus dem Jahr 1948. Während das Stück in seiner Heimat bis vor kurzem weitgehend unbekannt blieb, ist es im deutschsprachigen Raum längst zu einem kulturellen Dauerbrenner geworden. Seine Mischung aus schwarzem Humor, starrer Tradition und stiller Einsamkeit berührt die Zuschauer auch nach über 70 Jahren noch immer.

Die Handlung spielt in einem englischen Salon um das Jahr 1900: Miss Sophie, eine betagte Aristokratin, feiert ihren 90. Geburtstag. Ihre vier engsten Freunde – längst verstorben – sind nur durch ihren Butler James "anwesend", der jeden der Gäste am Tisch verkörpert. Das Mahl folgt einem aufwendigen, mehrgängigen Ritual, bei dem zu jedem Gang ein eigenes Getränk serviert wird – ein Spiegelbild der kolonialen und standesbewussten Gepflogenheiten der Epoche.

Im Laufe des Abends wird James zunehmend betrunken und stolpert durch seine Rollen als die vier Herren. Seine Trunkenheit stört die formelle Ordnung, doch die Struktur des Dinners bleibt unangetastet. Gerade dieser Kontrast macht die Komik aus: Der Butler verliert zusehends die Kontrolle, während Miss Sophie mit unerschütterlicher Würde bei der Sache bleibt. Die Beziehung der beiden ist vielschichtig. James gehorcht ihren Befehlen mit steifer Förmlichkeit, doch unter der Oberfläche spürt man Vertrautheit und gegenseitige Abhängigkeit. Ihre Dynamik verdeutlicht die tieferen Themen des Stücks – die Einsamkeit im Alter, die Leere von Traditionen und den leisen Verfall sozialer Hierarchien. All das entfaltet sich in nicht einmal 20 Minuten und macht Dinner for One zu einem dichten Kammerschauspiel.

Erstmals wurde die Komödie Anfang der 1960er-Jahre im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, vermutlich 1961, bevor sie in den 1970ern durch den NDR zum festen Silvesterprogramm wurde. Hartnäckig hielt sich der Mythos, Peter Frankenfeld habe das Stück 1963 erstmals präsentiert – doch Aufzeichnungen belegen frühere Theater- und TV-Aufführungen. Die Aufnahme von 1963 jedoch festigte seinen Kultstatus und machte es zum jährlichen Ritual. In Großbritannien hingegen blieb der Sketch bis 2018 weitgehend unbeachtet, bis er endlich Beachtung fand.

Heute ist Dinner for One eine Silvester-Institution in Deutschland und Österreich, die Generationen von Zuschauern begleitet. Die Mischung aus Slapstick, Melancholie und scharfer Gesellschaftsbeobachtung fasziniert das Publikum nach wie vor. Der anhaltende Erfolg des Stücks liegt darin, Gelächter mit einer berührenden Reflexion über Altern, Rituale und das stille Fortbestehen von Traditionen zu verbinden.